Züchtung neuer Apfelsorten

Züchtung neuer Apfelsorten

Die Züchtung neuer Apfelsorten ist ein langwieriges Unterfangen, das viel Fingerspitzengefühl und Knowhow erfordert. Der Prozess bis eine neue Sorte vermarktungsfähig ist kann bis zu 20 Jahre dauern.

Wie wird bei der Züchtung eigentlich vorgegangen? Man sammelt als erstes den Pollen von der Vatersorte, während sich die Blüte im Ballonstadium befindet. Das bedeutet, dass die noch nicht ganz geöffnete Blüte gesammelt und getrocknet wird. Den getrockneten und separierten Pollen kann man dann nutzen, um Blüten an einem Baum der Muttersorte zu befruchten. Diese werden in einen Vließbeutel verpackt, bevor sie sich ganz öffnen. So wird vermieden, dass eine Biene dem Vorhaben zuvorkommt. Wenn die Blüten ganz geöffnet sind, wird der gesammelte und getrocknete Pollen der Vatersorte mit einem Pinsel auf die Blüten der Muttersorte aufgetragen. Anschließend wird der Vließbeutel wieder geschlossen, solange bis die Blütezeit vorbei ist.

Sobald kleine Früchte zu sehen sind wird der Vließbeutel entfernt. Damit es zu keinen Verwechslungen kommt, werden die Früchte bzw. der Ast, an dem sie wachsen mit Vater- und Muttersorte gekennzeichnet. Im Herbst erntet man diese Früchte und entnimmt die Kerne. Aus jedem Kern eines Apfels entsteht eine neue Apfelsorte, denn die Erbinformationen von Vater- und Muttersorte sind in jedem Kern anders gemischt.

Aus den Kernen müssen im nächsten Schritt junge Sämlingsbäume gezogen werden. Hierzu stratifiziert man die Kerne. Heißt: sie werden keimfähig gemacht. Der Apfelkern benötigt dazu auch einen kalt-warm-Unterschied. Es muss ein Winter simuliert werden. Die Zeit, bis ein Sämling die ersten Früchte trägt dauert fünf bis acht Jahre. In dieser Zeit wird auf die Baum- und Blattgesundheit der neuen Sorten geachtet. Sämlinge, die zu Schorfbefall auf den Blättern oder Obstbaumkrebs an der Rinde neigen, überstehen diese 1. Selektionsstufe nicht und werden aussortiert.

Die ersten Früchte der Sämlinge bekommen eine Nummer, deswegen nennt man sie Nummernsorten. Es wird eine erste Fruchtbonitur vorgenommen: Früchte von Nummernsorten, die zu klein sind oder optisch negativ auffallen, weil sie keine rote Deckfarbe entwickeln, zu Rissigkeit oder Berostung neigen, fallen durch diese 2. Selektionsstufe. Die Früchte mit Potenzial werden nach der Ernte noch nach Kriterien wie Geschmack, Zucker- und Säuregehalt, Festigkeit, sowie Lagerfähigkeit bewertet. Die Selektionsstufe 2 dauert wieder mehrere Jahre.

Je länger der Prozess andauert, desto weniger Nummernsorten müssen bewertet werden. Neue Züchtungen, die es in die 3. Selektionsstufe schaffen, werden vegetativ vermehrt. Das bedeutet, dass sie auf Wurzeln veredelt werden, um neue Bäume zu ziehen. Diese wiederrum werden über mehrere Jahre an Teststandorten unter Erwerbsanbaubedingungen getestet. Zeigt sich hier eine neue Sorte produktiv und gesund mit gutaussehenden und schmackhaften, lagerfähigen Früchten, kann man den Sortenschutz beantragen und beginnen, die Sorte auf den Markt zu bringen. Nicht selten dauert auch dieser Prozess mindestens fünf Jahre.

Um eine Sorte auf dem Markt beim Großhandel und Endverbraucher bekannt zu machen, muss erst die Produktion hochgefahren werden. Die Bäume müssen in Baumschulen angezogen werden, was zwei Jahre dauert. Sodann können sie bei den Obstbauern gepflanzt werden. Es vergehen wieder zwei Jahre bis die jungen Bäume in Ertrag kommen.

Es gibt erste Züchter, die den Prozess via CRISPR/Cas, der Genschere, abkürzen. Diesen Prozess lehnen wir als Biobauern und Bio-Vermarkter aber ab. Wir freuen uns über regionale Züchtungsinitiativen, wie die ZIN (http://www.zin-info.de). Hier wurde Greta/Deichperle gezüchtet und bald bringen sie zwei Allergikersorten auf den Markt.

Ebenso ist das Zuchtprojekt Apfel:gut (https://www.apfel-gut.org) wichtig für den ökologischen Obstbau. Sie züchten nicht nur mit modernen Apfelsorten wie z.B. Honeycrunch, sondern immer auch mit den Elternsorten einer „alten“, robusten Apfelsorte. So entstehen neue robuste Apfelsorten mit natürlichen Resistenzen gegen den Apfelschorf oder Mehltau.

Nun kann man sich fragen, weshalb es überhaupt neue Apfelsorten braucht. Gerade im Öko-Anbau ist man auf die natürlichen Resistenzen angewiesen, weil sie die Anzahl der Pflanzenschutzmaßnahmen reduzieren. Das spart Produktionsmittel und CO2 ein. Die Sorte Elstar z.B. erfreut sich zwar großer Beliebtheit, ist aber für den Bio-Anbau weniger geeignet, weil sie viel Pflanzenschutz bei Regen erfordert.

Auch die klimatischen Veränderungen stellen eine Herausforderung dar. Nordische Sorten wie der Holsteiner Cox lassen sich nicht mehr gut anbauen, weil sie durch die heißen Sommer ihre Lagerfähigkeit und Festigkeit verlieren. Beim Elstar beobachten wir eine ähnliche Entwicklung. Die Themen Züchtung und neue Sorten beschäftigen uns also laufend, um auch in Zukunft ökologische Äpfel bester Qualität produzieren zu können.

 

Bilder von www.apfel-gut.org

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