Augustin Hof- und Familiengeschichte

Die Augustin Hof- und Familiengeschichte, erzählt von Katrin Augustin

Es ist die Zeit der Raunächte. Nach heidnischer Vorstellung dauern sie vom 21. Dezember bis zum 6. Januar, dem christlichen Dreikönigstag. In dieser Zeit, sagt man, kommen einem die Geister der Ahnen sehr nahe. Meine Schwiegermutter Hanna wusch keine Wäsche zwischen Weihnachten und Neujahr. Bis heute hält sich dieser Aberglaube. Erst später, als ich mich mit den heidnischen Bräuchen beschäftigte, hatte ich die Begründung: Wenn die Wäsche im Wind flattert, erschrecken sich die Geister, die ja in dieser Zeit der Erde sehr nahe sein sollen.

Von den Raunächten hatte ich in meiner Kindheit- und Jugendzeit nie etwas gehört. Aber über Weihnachten und Neujahr beschäftigte ich mich gerne mit Ahnenforschung und Hofgeschichte. Zumindest las ich sehr intensiv in unserer Familienchronik, der Familie Quast. Mein Großonkel Julius Quast hatte diese in jahrelanger Arbeit erforscht und drang bis ins 16. Jahrhundert vor.

Zu Dierks und meiner Hochzeit schenkte er uns eine kleine Familienchronik des Hofes Augustin. Wieder eine spannende Aufgabe, nachdem er die Quast-Forschungen beendet hatte. Man darf sich das nicht so einfach vorstellen, es gab nur die Kirchenbücher und Höferollen, aus denen man die Informationen beziehen konnte. Diese wurden nicht immer ganz korrekt geführt, je nachdem, wer als Schreiber zuständig war. Natürlich nicht in deutlicher Druckschrift, sondern in Sütterlin und teilweise mit Fehlern. Ein Puzzlespiel, für das man viel Geduld braucht.

Auf den ersten Blick sieht man nur Namen und Daten und je tiefer man sich einliest, desto lebendiger werden die Phantasie und damit die Vorfahren.

Die Forschung geht zurück bis Ende 17. Jahrhundert. Der erste nachweisliche Hofbesitzer lebte bis 1737 und war Vogt. Vögte stammten aus der Schicht der ortsansässigen Hofbesitzer. Diese nahmen gerichtliche, polizeiliche und verwaltungsrechtliche Aufgaben wahr. Weil 1712 unser Hofhaus erbaut wurde und dendrochronologische (Holzaltersbestimmung) Untersuchungen beweisen, dass die tragenden Eichenbalken 1706 geschlagen wurden, muss er der Erbauer gewesen sein.

Hofgeschichte heißt ja nicht, dass der Nachname stets Augustin lautet. Im Alten Land konnten seit jeher auch Frauen den Hof übernehmen, wenn kein männlicher Erbe da war. Daher wechselte der Name trotz direkter Generationenfolge oft.

So wandelte sich der der Familienname über die Jahrhunderte von Diercks zu Quast zu Lühnen und Palm und schließlich zu Augustin. Es kam auch vor, dass zwei „Quasten“ heirateten. Es bestand jedoch keine Verwandtschaft, denn der Name Quast entspringt von drei Zweigen. Die ersten Quasts kamen mit der Urbarmachung des Alten Landes aus Holland. Noch heute ist es ein sehr verbreiteter Nachname in der Region.

Es ist ein Glück, dass ich mich schon früh für die Hofgeschichte interessierte und Dierks Großmutter Emma ausführlich befragt hatte. Sie konnte mir die Personen auf den alten Fotos benennen und mir ihre Lebensgeschichte erzählen, die häufig auch eine Leidensgeschichte war, wie ich feststellen musste.

Es wurde aus Liebe geheiratet oder aus Vernunft, wenn Schicksalsschläge wenig Wahl ließen, um den Hof zu halten. Die Kindersterblichkeit, Kriege und Unfälle stellten unsere Ahnen – und darunter vor allem die Frauen der Familie – wieder und wieder vor große Herausforderungen. Aber irgendwie ging es immer weiter und der Hof blieb in der Familie, seit mittlerweile mehr als 300 Jahren.

War der Hof ursprünglich 50 Hektar groß, so wurde er im 19. Jahrhundert im Zuge einer Erbfolge auf drei Söhne aufgeteilt und unser Hof bekam seine heutige Größe von 19 Hektar. Auf den beiden abgetrennten Parzellen entstanden neue Höfe, die alle heute noch genauso aufgeteilt sind. Noch heute ist die Höfeordnung in weiten Gebieten Norddeutschlands das maßgebliche Erbrecht. Für gewöhnlich werden Kinder und Ehepartner gemeinsam Erben, nach der Höfeordnung wird jedoch nur Einer Hoferbe. Es dient dem Erhalt der Wirtschaftlichkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes. In Gebieten, wo das allgemeine Erbrecht zur Anwendung kommt, gibt es meist viele sehr kleine, zerstückelte Betriebe, die oft nicht überlebensfähig sind.

Der Hof war durch Unglück und Krieg bedingt zwei Generationen an die jeweils einzige Tochter vererbt worden. Dann übernahm schließlich Dierk als ältester von drei Söhnen mit mir 1983 den Hof.

Dieser wird nun seit 2016 in einer GbR mit Dierk und Jörg von der Beck, unserem ehemaligen Auszubildenden, bewirtschaftet. Tochter Catharina hat die Geschäftsführung der Augustin-Vermarktung mit ihrem Cousin Hinrich Quast inne.

Zur Hofgeschichte gehört natürlich auch etwas über den Anbau. Wie überall im Alten Land wurde auch auf dem Augustin-Hof über Jahrhunderte Ackerbau und Viehzucht betrieben. Dierk, Jahrgang 1956, kann sich noch an das Dreschen von Weizen auf der Diele erinnern. Und ich erlebte noch die letzten Jahre mit Rindern und Pferden, die erst 1986 abgeschafft wurden.

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